Algorithmen für kooperatives und vernetztes Fahren bei niedrigen Durchsetzungsquoten intelligenter Fahrzeuge

Kooperative Fahrmanöver mit mehreren vollautomatisierten Fahrzeugen auszuhandeln und auszuführen bietet erhebliche Potentiale beispielsweise hinsichtlich Unfallvermeidung und Emissionsreduktion. Dabei werden diese Vorteile erst ab einer gewissen Durchsetzung vollautomatisierter, kooperativer Fahrzeuge im Straßenverkehr erreicht. Einhergehend mit der Erkenntnis, dass die ersten dieser Fahrzeuge keine Kooperationspartner im Straßenverkehr auffinden werden und damit die kooperative Fahrzeugfunktion nicht zum Einsatz kommen kann, ergibt sich die Fragestellung nach dem Anreiz des Kunden, ein solches System für einen möglicherweise nicht unerheblichen Aufpreis kaufen zu wollen.

Evolutionäre Einführung kooperativer Fahrfunktionen

Das Projekt »iFORESEE – Einführungsszenarien für kooperatives, vernetztes Fahren« der »Profilregion Mobilitätssysteme Karlsruhe« stellt sich dieser Frage in einer interdisziplinären Herangehensweise von Informatikern, Verkehrsingenieuren, Psychologen und Wirtschaftssoziologen mit dem Ziel einer evolutionären Einführung kooperativer Fahrfunktionen.

Im Wesentlichen bedeutet dies:

  • Die Entwicklung neuer kooperativer Fahrfunktionen, die niedrige Automatisierungsgrade (SAE-Level) bedürfen (Von reinen Assistenzfunktionen, über die Mitverwendung von beispielsweise Fahrspurassistent oder ACC, bis hin zu automatisierten Fahrfunktionen zukünftiger Autobahnpiloten)
  • Kooperative Fahrfunktionen, die bereits einen Mehrwert bei einer geringen Anzahl entsprechend ausgestatteter Fahrzeuge im Straßenverkehr für den Insassen bieten
  • Fahrfunktionen, die bestehende Assistenzfunktionen erweitern, um hohe Mehrkosten für zusätzliche Sensorik zu vermeiden
  • Aufwärtskompatible Fahrfunktionen, um als erste Kooperationspartner für vollständig automatisierte, kooperative Fahrzeuge dienen zu können und somit deren Markteinführung zu erleichtern  

Im Rahmen des »Karlsruhe Mobility Summit 2021« wurden zwei der insgesamt 13 entwickelten Fahrfunktionen vorgestellt und mit OCTANE simuliert: der Engstellen-Assistent und der Rendezvous-Assistent.

Engstellen-Assistent

Beim Engstellen-Assistent handelt es sich um eine kooperative Funktion, die sowohl in hochautomatisierten Fahrzeugen, aber selbst als reine Assistenzfunktion ohne jegliche automatisierte Fahrzeugsteuerung ausgeprägt sein kann. Ziel ist eine Verkehrsflussoptimierung an Engstellen ohne Ampelanlagen, indem Fahrzeuge mit Engstellen-Assistent gegenseitiges Gewähren der Vorfahrt zusichern. Durch die spezielle Ausprägung des Algorithmus unter Einbeziehung mehrerer intelligenter Fahrzeuge wird eine Harmonisierung beider Fahrtrichtungen erreicht ohne lange Wartezeiten zur Erhöhung der Akzeptanz.

Video zum Engstellen-Assistenten

Das Video demonstriert die optimierte Entscheidungsfindung von vernetzten Fahrzeugen bei geringer Fahrzeugdichte.

Rendezvous-Assistent

Im Gegensatz zum Engstellen-Assistent zielt der Rendezvous-Assistent auf Fahrzeuge höherer Automatisierungsgrade, die bereits automatisiert auf Autobahnen oder Schnellstraßen fahren können. Eine der Herausforderungen dabei ist der Wechsel zwischen Autobahnen auf Autobahnkreuzen: Es ist zu erwarten, dass erste Autobahnpiloten eine Übernahme des Fahrers für ein solches Manöver verlangen, da das automatisierte Auffahren und Einfädeln hohe Risiken birgt und ein kooperatives Einfädelmanöver an einer zu geringen Menge an möglicher Kooperationspartner zu Beginn scheitern würde.

Der Rendezvous-Assistent zielt auf das Schließen dieser Lücke, indem bereits mehrere Kilometer vor dem Kreuz eine Kommunikation zu einem passenden Partner auf der Zielautobahn aufgebaut wird, um an der Auffahrt das kooperative Einfädelmanöver zu ermöglichen. Der Algorithmus synchronisiert dabei die Ankunftszeiten der beiden Fahrzeuge unter Berücksichtigung des Gesamtverkehrsflusses durch Geschwindigkeitsvorgaben an bestehende herstellerseitige Geschwindigkeitsassistenzsysteme. Somit ist beispielsweise eine erfolgreiche Kooperation eines Autobahnpiloten mit Einfädelwunsch mit einem Fahrzeug mit reiner ACC-Funktionalität möglich, dessen Sollgeschwindigkeit durch den Rendezvous-Assistenten angepasst wird.

Video zum Rendezvous-Assistenten

Das Video demonstriert eine für den Einsatz des Rendezvous-Assistenten vorstellbare Verkehrssituation, in der das Zusammentreffen zweier vernetzter Autos berechnet und kontrolliert wird.

Generierung von Ground-Truth und  synthetischer Sensordaten  

Zudem wurde OCTANE neben den beiden frühen kooperativen Fahrfunktionen auf dem »Karlsruhe Mobility Summit 2021« als ein Beitrag zur »Digitalisierung des Testens« mit der Möglichkeit zur synthetischen Sensordaten- und Ground-Truth-Generierung vorgestellt. Ground-Truth bezeichnet hierbei das Sammeln von Daten bei einer Geländeerkundung.

Video zur synthetischen Sensordaten- und Ground-Truth-Generierung

Das Video zeigt, wie OCTANE Informationen zur Umgebung sammelt und Sensordaten generiert.